So gelingen bessere Fotos von Vögeln – ein Leitfaden von Rachel Bigsby
Wildlife-Fotografin Rachel Bigsby über das Wetter, Belichtungseinstellungen und das NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S
Rachel Bigsby ist Fotografin für National Geographic, Gewinnerin der Auszeichnung „Natural Artistry“ im Wettbewerb „Wildlife Photographer of the Year“ und Gewinnerin des Portfolios „Bird Photographer of the Year“. Und obwohl die als Nikon-Creator tätige Rachel oft nach Südafrika oder in die Antarktis reist, hat Großbritannien ihr Herz erobert. „Mein Fotostil konzentriert sich auf die kunstvolle Natur und die Details oft übersehener Arten, die auf den britischen Inseln zu finden sind“, erklärt sie. Zwischen ihren eigenen Workshops und denen der Nikon School – ganz zu schweigen von den Dreharbeiten für Sky – beauftragten wir sie, mit ihrer Z 9 und dem neuen NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S atemberaubende Bilder von Seevögeln aufzunehmen. Hier berichtet sie über ihre Ergebnisse.
Die Location vorher erkunden
Es ist wichtig, den Ort und die dort vorkommenden Arten zu kennen. „Es war meine vierte Reise zur Insel Lunga. Also wusste ich schon, welche unterschiedlichen kreativen Möglichkeiten sich mir dort bieten“, berichtet Rachel. Der Schlüssel ist, flexibel zu bleiben: „Bei unserer Ankunft sahen wir, dass viele der Örtlichkeiten, die ich fotografieren wollte, wegen Felsstürzen nicht zugänglich waren. Außerdem schien die Sonne, es war heiß und der Himmel blau – alles Bedingungen, mit denen ich gar nichts anfangen kann. Ich habe es lieber bewölkt und etwas dunkler. So musste ich andere Blickwinkel nehmen und Möglichkeiten neu entdecken.“
Top-Tipp: Gibt es keine Gelegenheit, einen Ort vor einem Fotoshooting zu erkunden, bieten Bücher oder das Internet Informationen. Auch über Google Earth ist eine Vorschau möglich. Für eine Reise auf die Isle of Mull bietet der Leitfaden der Nikon School hier einige Infos zur Erkundung der Insel.
Beim Bildausschnitt die Umgebung nicht vergessen
„Das Motiv braucht Platz im Bild“, erklärt Rachel. Auf dem Foto oben schaut der Papageientaucher nach rechts, also positionierte Nikon-Creator Rachel sich links. „So sieht es nicht zu eingequetscht aus“, beschreibt sie. „Ich habe auch mit dem Gras im Vordergrund gekämpft. Man sieht ein paar Grashalme vor dem Papageientaucher, aber sie verdecken sein Gesicht nicht. Wenn das Gras vor dem Schnabel oder dem Auge gewesen wäre, hätte ich das Bild nicht ausgewählt. Beim Wählen des Bildausschnitts ist auch immer wichtig, was sich vor dem Motiv befindet. Von wichtigen Elementen wie Gesicht, Auge oder anderen Details sollte nichts ablenken.“ Dank des gestochen scharfen Autofokus in diesem Bild kann man sich auf die Zähnchen des Papageientauchers konzentrieren, mit denen er mehrere Sandaale gleichzeitig halten kann.
Top-Tipp: Die natürliche Umgebung kann zur Bildkomposition beitragen. „Das Schwarz in der Ecke ist eine schattige Klippe. Ich habe etwas davon ins Bild genommen, um die Bokeh-Kreise besser zur Geltung zu bringen“, verrät Rachel. „Ich wollte das Bild zuerst beschneiden, aber dann wird der Ausschnitt einfach zu klein für den Papageientaucher!“
Mit Bokeh experimentieren
An diesem ersten Tag setzte sich Rachel in der letzten halben Stunde mit neun Papageientauchern auf ein Plateau, um die Aufnahme mit dem Bokeh darüber zu machen. „Mir fehlte die Inspiration, weil ich viel mehr Papageientaucher erwartet hatte. Ich spielte gerade mit der Kamera herum, als dieser Papageientaucher aus seinem Bau kam“, erzählt sie. „Das Gras war nass vom Regen und dann kam die Sonne heraus. Das Bokeh ist wunderschön, zumal es mit einer Blende von f/6,3 aufgenommen wurde. In dem Moment habe ich das Potenzial des NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S definitv erkannt.“
Mit dem Wetter arbeiten: High Key bei flachem Licht
Rachels Geheimnis ist, dass sie das Beste aus schlechtem Wetter macht. Inzwischen ist sie für ihre High-Key-Aufnahmen bekannt – eine Aufnahmetechnik, bei der helle, überbelichtete Fotos (wie das unten) entstehen. Begonnen hatte alles beim Fotografieren auf einer nebligen Insel. „Damals hatte ich das Gefühl, dass die besten Fotos nur bei goldenem Licht und wunderschönen Sonnenuntergängen entstehen. Also wollte ich herausfinden, was mit meiner Kamera möglich war“, erinnert sie sich.
„Auf dem Foto unten war es bewölkt, sodass ich sehr flaches, weiches Licht hatte – ideal für High-Key-Fotografie. Die Überbelichtung sollte nie so weit gehen, dass die weiße Brust und Flügelunterseite der Papageientaucher überstrahlt werden. Es geht darum, das Gleichgewicht zwischen beiden zu finden“, erklärt Rachel. „Ich werde oft von anderen Fotograf:innen gefragt, warum es mit ihren High-Key-Bildern nicht klappt. Doch dann sehe ich, dass sie es bei Sonnenschein oder auf Gras versucht haben, und das klappt halt nicht. Hier habe ich den Papageientaucher vor dem Meer und dem Himmel platziert, damit die Technik funktioniert.“
Unterbelichtung bei starkem Sonnenlicht
„Als die Sonne herauskam, musste ich es umgekehrt machen und unterbelichten, um einen Low-Key-Effekt zu erzielen. Die effektivste Art, unterzubelichten, besteht darin, ein Motiv entweder im Gegenlicht oder in einem schattigen Bereich zu platzieren. Ich liebe die Konturen des Gesichts und die Pausbäckchen des Papageientauchers (unten), wie er seinen Kopf unter die Flügel steckt, auf denen das Licht schöne Details hervorhebt. Es war genug von der schattigen Klippe im Hintergrund zu sehen, damit es funktioniert – und ich habe um zwei Blendenstufen unterbelichtet, damit der Hintergrund wirklich schwarz aussieht“, beschreibt Rachel. „Ich sehe oft, dass Fotograf:innen in der Nachbearbeitung unterbelichten, so bleibt aber immer noch eine sichtbare Kontur um das Hautmotiv. Das sollte daher unbedingt in der Kamera passieren.“
Top-Tipp: Seid geduldig und bleibt flexibel. „Ich hatte ein Zeitfenster von vier oder fünf Stunden, in dem ich meinen Stil und meine Herangehensweise an die Wetterlage anpassen musste“, erklärt Rachel.
Spielen mit Schwarz und Weiß für zusätzliche Textur
„Diese schöne Krähenscharbe landete auf der Klippe – und es war einer dieser flüchtigen Momente. Ich fotografiere oft die detaillierten Federn und das Gefieder der Krähenscharben. Bei diesem Foto (unten links) ging das nicht so richtig, weil er im Gras gelandet war. Da musste ich einen kleineren Ausschnitt wählen“, erklärt Rachel. „Hier habe ich mich für die Überbelichtung entschieden. Die ist perfekt zum Fotografieren des Gefieders. Sie hebt die Schatten und die Textur etwas mehr hervor. Hier gelten die gleichen Regeln wie beim Papageientaucher: Freiraum im Bildausschnitt, wobei der Fokus auf dem ikonischen grünen Federkleid und dem Auge liegt.
„Das Porträt (unten rechts) wurde im Querformat aufgenommen. Ich habe es beschnitten, weil so viele Krähenscharben auf dem Felsen waren, die nicht in meine Richtung schauten. Ziemlich unübersichtlich. Am Computer habe ich eigentlich nur nach dem besten Bild gesucht und dachte erst gar nicht an einen vertikalen Ausschnitt. Aber dann hockten diese drei Krähenscharben perfekt in einer Reihe. Weil das Bild ohnehin recht monochrom war, mit nur ein paar durchscheinenden Gelb- und Orangetönen, habe ich es komplett schwarz-weiß gemacht. Ich wollte eine schroffe Struktur mit Felsen und die Silhouette der Vögel.“
Für Vögel im Flug ist eine Verschlusszeit über 1/3200 s ideal.
„Für dieses Bild (unten) testete ich das NIKKOR Z 600mm f/6,3. Ich saß in einem Boot und näherte mich der Insel. Es musste nur noch ein Vogel vor das wunderschöne Bokeh fliegen. Bei Vögeln im Flug würde ich nie weniger als 1/3200 s als Verschlusszeit wählen. Damit hat man einen Sicherheitspuffer, um die eigenen Bewegungen auszugleichen – ob nun auf einem Boot oder beim Fotografieren aus der Hand. Und man friert damit das Bild von schnell fliegenden Vögeln ein. Wenn es das Licht zulässt, fotografiere ich mit noch kürzeren Zeiten. Vor allem bei Papageientauchern – die schlagen nämlich 400 Mal pro Minute mit den Flügeln!
Ich bin ziemlich empfindlich, was den ISO-Wert angeht, auch wenn das mit meiner Nikon Z 9 nicht nötig ist, und habe ihn auf 4000 begrenzt. Es war wirklich schön, den Tordalk bei grellem Licht zu fotografieren. Ich hatte genug Licht in meinem Objektiv (sogar bei f/6,3), um diese kurzen Verschlusszeiten zu erreichen, ohne den ISO-Wert zu hoch einstellen zu müssen. Ich fand es toll, dass ich mit dem NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S trotz der kleineren Blendenöffnung keine Abstriche bei der Verschlusszeit machen musste.“
Das NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S im Test
Wie hat das NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S abgeschnitten?
„Das NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S ist eine echte Neuerung. Ich habe von der Arktis bis zu den Britischen Inseln vor allem das NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S genutzt. Ich liebe es, aber mit einem Gewicht von 3.260 g ist es mir manchmal zu schwer – besonders wenn ich beim Fliegen viermal umsteigen muss und mit winzigen Booten unterwegs bin. Also wollte ich dieses Jahr etwas Praktischeres. Mit dem NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S erreiche ich immer noch 600 mm Brennweite, um feine Details im Nahbereich zu fokussieren, ohne die Tierwelt zu stören. Und mit 1.470 g ist es sehr viel leichter. Es ist zu einem festen Bestandteil meiner Ausrüstung geworden. Und obwohl das NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S in vielerlei Hinsicht ein hervorragendes Objektiv ist, ist das NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S meine erste Wahl bei wenig Platz und Gewichtsbeschränkungen.“
Was hat dich überrascht?
„Ich war überrascht, dass ich mit Blende f/6,3 ein so gutes Bokeh erzielen konnte. Ich wollte auf dieser Reise besonders kreative Bilder machen. Nie hätte ich gedacht, dass ich bei f/6,3 ein so schönes Bokeh bekommen würde, vor allem im Vergleich zum f/2,8 oder f/4. Es war wirklich toll.“
Musstest du dich zuerst an etwas gewöhnen?
„Die Naheinstellgrenze ist anders als beim NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S. Man muss etwas mehr Abstand halten als mit dem f/4 und sich herantasten. Das war aber ganz einfach: Einfach hochheben, fokussieren und sich etwas vor- und zurückbewegen, und schon war alles perfekt.“
Naheinstellgrenze
- NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S: 4 m von der Schärfeebene
- NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S: 4,3 m von der Schärfeebene (auch bei 840 mm mit dem 1,4-fach-Telekonverter für einen noch engeren Bildausschnitt).
Wie kann man dieses Objektiv am besten nutzen?
„Zum Fotografieren von Vögeln im Flug und für lange Verschlusszeiten, insbesondere für Seevögel – die fliegen superschnell! Der Geschwindigkeit des Autofokus war perfekt und ich konnte keinen Unterschied zum NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S feststellen.“
Das steckt in der Kameratasche
„Das Nikon Z 9 ist meine einzige Kamera. Ich habe das NIKKOR Z 400mm f/4,5 VR S, das NIKKOR Z 400mm f/2,8 TC VR S, das NIKKOR Z 700-200mm f/2,8 VR S, das NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S und das NIKKOR Z 600mm f/6,3 VR S. In letzter Zeit experimentiere ich auch gern mit dem NIKKOR Z 135mm f/1,8 S Plena.“
Mehr Natur und Wildlife
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