Der Einsteiger-Leitfaden zum Thema Licht

Dom Salmon Technology & know-how03 Nov. 202310 min read
Dom Salmon's accompanying images for Nikon magazine 'How to shoot with light'

Möglicherweise kennt ihr die Serienbildraten eurer Kamera, die AF-Messfelder, Megapixel und alle diese Dinge. Und das sollt ihr auch. Aber Fotograf:innen, die sich mit Licht auskennen, es bewerten, antizipieren und manipulieren können, machen immer die besten Aufnahmen, sagt Dom Salmon

Licht ist eines der faszinierendsten Dinge im Universum. Caravaggios schwelende Schatten, Turners ungreifbare Nebel und die erste Glasplatte, die ein Bild festhielt: Licht ist das wichtigste Werkzeug aller Künstler:innen – bis hin zu den hochmodernen spiegellosen Digitalkameras von heute.

Moderne Kamerasensoren können nicht nur fantastische Bilder aufnehmen, sondern haben auch einen riesigen Dynamikbereich (die Menge an nutzbaren Details von hell bis dunkel). Zum Vergleich: Diafilme waren bekannt dafür, dass sie gnadenlos waren, wenn man außerhalb ihres nutzbaren Dynamikumfangs ging. Schatten und Spitzlichter waren unerreichbar. Digitale RAWs sind dagegen unglaublich vielseitig mit einem viel größeren Kontrastumfang, so dass man noch Details aus fast schwarzen Schatten herausholen kann. In Kombination mit der fortschrittlichen Belichtungsmessung können Kameras 99 Prozent der Motive analysieren und eine punktgenaue Belichtung ermitteln – von intimen Porträts bis hin zu weitläufigen Landschaften. Warum sich also Sorgen um das Licht machen, wenn man einfach draufhalten und auslösen kann und die Kamera die Arbeit machen lässt?

Die Antwort ist: Es sind eure Bilder. Je mehr ihr an jeder Entscheidung beteiligt seid – Motiv, Bildausschnitt, Objektiv und vor allem die Art und Weise, wie ihr das Licht einsetzt – desto persönlicher wird euer Bild.

Für Profis ist es wichtig, einen ganz eigenen Stil zu kreieren, damit Kunden sich an uns wenden. Aber auch wenn man kein Profi werden will, ist die Entwicklung einer persönlichen Art, Momente festzuhalten, das Beste, was man mit seiner Kamera machen kann. Das mächtigste Werkzeug dafür ist das Licht.

Es gibt viele Bücher über Licht, dazu Tausende von Videos auf YouTube. Aber am besten lernt man, wenn man es selbst probiert. Hier sind also einige der Grundlagen, um direkt loszulegen.

Dom Salmon
Das steckt in der Kameratasche
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Hartes und weiches Licht

Es gibt zwei Arten von Licht, die auf das Motiv treffen. Hartes und weiches Licht. Wie bei einer Sonnenuhr. An einem hellen Sommertag ist der Schatten klar definiert, mit scharfen Kanten und einem tiefen Schwarz. Das ist hartes Licht. An einem bewölkten Wintertag ist der Schatten der Sonnenuhr kaum oder gar nicht zu sehen. Das ist weiches Licht.

Im Sommer kommen die Sonnenstrahlen direkt zu uns. Sie sind superhell und haben 93 Millionen Meilen lang nichts im Weg. Deshalb sind die Schatten der Sonnenuhr so scharf. Umgekehrt ist die Sonne im Winter schwächer und hat Tausende von Metern an Wolken zu durchdringen. Das Licht ist daher diffus, ohne Kontrast oder Definition. Wie ein Gartenschlauch, der entweder einen kräftigen Strahl oder einen diffusen Nebel abgibt. Es kommt immer noch Wasser heraus, nur eben auf eine andere Art und Weise.

Das ist der wichtigste Punkt, den ihr beachten müsst und der eure Einstellung zum Licht verändern wird. Denn nicht die Quantität des Lichts ist wichtig, sondern die Qualität.

Wenn man anfängt zu fotografieren, denkt man vielleicht: „Mehr Licht, toll!“ Klick! An einem hellen Tag reicht eine kürzere Belichtungszeit. Praktisch, um Bewegungen einzufangen. Viel Licht bedeutet auch, dass man die Blende schließen und mehr von der Aufnahme scharf stellen kann. Die Mittagssonne im Sommer sollte also die beste Zeit sein, um zu fotografieren? Mitnichten. Es ist ein sehr grelles Licht. Wenn es beim Fotografieren direkt über einer Person steht, ist der Schattenwurf so stark, dass sie eher wie ein Panda aussieht. Nicht sehr schmeichelhaft. Außerdem zwingt euch diese Lichtmenge dazu, die Blende zu schließen und euer Motiv beginnt mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Das ergibt ein unruhiges, „flaches“ Bild.

Unter einem Baum hingegen wird das Licht durch die Blätter schön gestreut. Die Schatten werden weicher und schmeichelhafter. Ihr könnt die Blende weiter öffnen, um den Hintergrund unscharf zu machen und so das Motiv schön von dem Ort zu trennen. Gleiches Motiv, gleicher Ort, gleiches Licht. Zehn Meter verschoben, und das Bild sieht völlig anders aus. Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt soeben eine kreative Entscheidung getroffen, indem ihr die Qualität des Lichts erkannt habt, das ihr nutzen wolltet.

Das heißt nicht, dass man kein hartes Licht verwenden kann. Wichtig ist: Was will man mit einem Foto sagen? Hartes Licht kann Dinge sehr dramatisch aussehen lassen und Farben richtig knallig machen. Ich liebe es genauso sehr wie weiches Licht, nur auf eine andere Art und Weise. In der Straßenfotografie zum Beispiel liebe ich es, mit hartem Licht riesige Bereiche mit fast undurchdringlichen Schatten zu schaffen.

Die Aufnahme unten zum Beispiel entstand bei einem Video-Projekt in Florenz, bei dem eine ziemlich starke Nachmittagssonne dem Bild Schatten und Dramatik verlieh.

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Die Szene unten hat kein direktes Licht, es kommt aus den umliegenden Fenstern herein – und völlig zufällig befand sich der Junge in der Mitte in sehr diffusem Licht. Man sieht, wie wenig Licht es war, da meine Blende weit offen war und er der einzige scharfe Punkt im Bildausschnitt ist. (Danke, Autofokus!)

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Auch wenn weicheres Licht die automatische Wahl zu sein scheint, sollte man es bei Porträts nicht ausschließen. Das Bild unten rechts habe ich unterwegs in Bangladesch aufgenommen. Normalerweise wäre ich versucht gewesen, zumindest mit einem Reflektor herumzuspielen, um die dunkle Seite des Gesichts weicher zu machen – aber dann hätte es keine Aufnahme gegeben. Eine enorm helle Nachmittagssonne kam voll durch das Fenster und tat ihr Übriges.

Im Gegensatz dazu hat die Aufnahme unten links zu 100 Prozent weiches Licht. Es verleiht dem Bild eine viel ruhigere, offenere Stimmung. Es war ein bewölkter Tag, was in diesem Fall nützlich war. Sonst wäre diese Aufnahme sehr hart von oben beleuchtet worden und hätte wenig schmeichelhafte Schatten. Viel sehr weiches Umgebungslicht bedeutete, dass ich meinen Hintergrund mit einer großen Blende weichzeichnen, einen niedrigen ISO-Wert verwenden konnte, um Details zu erhalten, und mit einer kurzen Belichtungszeit das Licht einfangen konnte. Auch hier war kein Reflektor erforderlich. Die leichte Drehung des Motivs verlieh dem Gesicht etwas Tiefe.

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Farbtemperatur

Wahrscheinlich habt ihr irgendwo LED-Lampen, die „warmweiß“ oder „kaltweiß“ leuchten, wobei warm eher gelb/orange leuchtet und kalt am blauen Ende des Spektrums liegt. Das ist die Farbtemperatur. Sie ist eine wichtige Eigenschaft des Lichts, mit dem ihr beim Fotografieren arbeitet.

Hier ist ein Beispiel für ein Foto, das komplett mit „warmen“ Lichtquellen wie Glühbirnen und Kerzenlicht beleuchtet wurde. Anstatt sie auf Weiß zu „korrigieren“, habe ich die Kameraeinstellung auf „Tageslicht“ belassen, wodurch das Gesamtlicht schön warm wird.

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Im Kontrast dazu das tieforange Leuchten mit der Aufnahme unten. Es ist noch nicht ganz Mittag, wie man an den etwas längeren Schatten sehen kann. Aber das Licht hier ist sehr „kalt“ – es bleicht die Szene leicht aus und reduziert die Sättigung.

Das liegt daran, dass die Mittagssonne fast weiß ist. Das entspricht einer Farbtemperatur von etwa 5500 Kelvin. Dies ist auch die Farbtemperatur von Blitzen und Videoleuchten, da sie so kalibriert sind, dass sie ein weißes, neutrales Licht abgeben. Bei LEDs gibt es inzwischen Lampen, die verschiedene Farbtemperaturen ermöglichen.

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Die Farbtemperatur ist in der realen Welt nicht mehr so wichtig wie früher, denn mit Digitalkameras ist es ziemlich einfach, die Gesamttemperatur zu korrigieren. Man stellt einfach den Weißabgleich des Bildes ein, indem man festlegt fest, welche Farbtemperatur als „weiß“ gelten soll. Sogar auf dem Smartphone kann man diesen „Weißpunkt“ mit einem einfachen Schieberegler auswählen. Solange es sich nicht um eine große Verschiebung handelt, wirkt der Effekt sehr natürlich und ist nicht wahrnehmbar.

Das eigentliche Problem entsteht, wenn man die Temperaturen der Lichtquellen im selben Bild mischt. Dann kann man den Weißabgleich nicht mehr so einfach korrigieren, und es wird sehr schwierig, ihn auszugleichen.

Das kann lästig sein, wenn zum Beispiel eine Person von Leuchtstoffröhren beleuchtet wird (die eine hässliche grüne Farbe haben können), im Hintergrund aber noch ein Fenster ist. Wenn man nur eine korrigiert, sieht die andere seltsam aus. Deshalb ist es wichtig, alle Lichtquellen im Bildausschnitt zu checken. Denn je mehr sie vermischt werden, desto schwieriger.

Dennoch kann das Mischen von Licht ein effektives Mittel sein. Auf dem Bild unten habe ich das Kunstlicht im Hintergrund angelassen und den Mann so positioniert, dass sein blaues Outfit von dem sehr diffusen Tageslicht von draußen beleuchtet wurde. Indem ich das Licht überbelichtet habe, so dass es „ausfrisst“ und nicht zu orange ist, habe ich einen wärmeren Hintergrund erzeugt. Das „kältere“ Vordergrundmotiv sticht nun hervor, ohne unnatürlich zu wirken.

Auf dem Bild der Kellnerin am Anfang dieses Artikels hebt sich die Kellnerin vom sehr „warmen“ Raum im Hintergrund ab. Sie selbst wird von dem sehr „kalten“ Licht des Bildschirms angestrahlt. Ich habe es noch überspitzt, indem ich die Belichtung auf sie angepasst habe. Ich wollte den Rest dunkel und eher als „angedeuteten“ Hintergrund, statt als Schlüsselelement im Bild belassen.

Beide Bilder wurden mit einer Nikon D810 fotografiert. Ohne extra Licht, ohne Blitz, nicht einmal mit einem Reflektor – ich habe in RAW nur ein wenig den Kontrast erhöht. Zu den analogen Zeiten wären die Bilder mit den gleichen Kameraeinstellungen viel zu dunkel herausgekommen. Meine spiegellosen Nikons sind in Situationen mit wenig Licht sogar noch bemerkenswerter. Es gibt also keine Ausrede, nicht zu experimentieren.

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Nächste Schritte

Es wird genügend Zeit sein, um Lichtquellen wie Blitzlicht, Softboxen, Key Lights und viele andere kennenzulernen. Im Moment habt ihr alle Lichtquellen, die ihr braucht, um loszulegen – die Sonne und eure Hausbeleuchtung! Also, schnappt euch die Kamera und legt los.

Stellt euch dabei Fragen wie: „Welchen Unterschied macht die Tageszeit für diese Aufnahme?“ „Wo stehe ich in Bezug auf das Licht und mein Motiv?“ „Werden die Wolken das Szenario in den Nächsten zehn Minuten völlig verändern?"

Nehmt ein Notizbuch mit. Eine einfache Skizze und Notiz, wo sich die Sonne, ihr und euer Motiv befinden, die Tageszeit und das Wetter: Das kann sehr nützlich sein, wenn ihr eure Fotos später noch einmal anschaut. Beim nächsten Mal wisst ihr, wie ihr eine tolle Aufnahme wiederholen könnt.

Ein unschätzbarer Ausrüstungsgegenstand ist ein einfacher Fotoreflektor, der mit weißen, silbernen, goldenen, durchscheinenden und schwarz reflektierenden Paneelen geliefert wird. Das sind magische Dinge. Sie sind günstig und auch ohne Assistent:innen kann man sehr viel damit machen. Ich verlasse das Haus nie ohne – obwohl ich auch schon die eine oder andere leere Skizzenbuchseite oder weiße Tischdecke verwendet habe.

Das Gesicht eines Motivs ist im Vergleich zum Hintergrund etwas dunkel? Bittet die Person, den Reflektor nach oben zu halten (außerhalb des Kameraausschnitts natürlich), um ein wenig Licht zurückzuwerfen und das Gesicht aufzuhellen, harte Schatten zu reduzieren und die Augen leuchten zu lassen. Etwas reflektiertes Licht macht bei einer Aufnahme einen großen Unterschied.

Das Licht, das durch das Fenster hereinkommt, ist zu hart? Verwendet den lichtdurchlässigen Schirm, damit es weniger stört.

Ein Reflektor ist nicht nur für Schnappschüsse wichtig. Denn wenn man erst einmal weiß, welche Art von Licht man hat und seine Qualität kennt, kann man überlegen, wie man es nutzt. Das ist der erste Schritt in eine völlig neue Welt der Fotografie.

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