So gelingt das perfekte Porträtfoto
Ob für die sozialen Medien, die eigene Website oder einfach nur zum Spaß – ein gutes Porträt sollte die Persönlichkeit zum Ausdruck bringen. Kein Problem mit den folgenden einfachen Tipps und Tricks von Dom Salmon
Das Selfie. Es ist wahrscheinlich das meistgeschossene Foto der Welt. Mit dem Aufkommen der Smartphones mit Frontkamera wurden Milliarden von Bildern von Menschen vor dem Taj Mahal oder dem örtlichen Café gemacht. Diese Fotos kleben jetzt an unserem „digitalen Leben“, auf Instagram und Facebook bis hin zu TikTok und X (ehemals Twitter), und sind eine Art Garantie, dass wir… wir sind.
Lustig, einfach und überall – aber was, wenn man etwas Professionelleres braucht? Für ein LinkedIn-Profil, zum Beispiel? Möglicherweise wirkt das Foto, auf dem ihr auf einem Tisch tanzt und einen Song von Dua Lipa singt, nicht besonders seriös?
Doch die gute Nachricht ist, dass man auch in einem kleinen Raum sehr schnell und einfach tolle Porträtfotos machen kann.
Es gibt nicht den einen „richtigen“ Weg für ein solches Bild. Zwei tolle Porträts können völlig unterschiedlich beleuchtet und komponiert sein. Die eine Person mag fröhlich und lächelnd aussehen, die andere ernst und professionell. Ganz anders. Beide toll.
Das Wichtigste an einem guten Porträt ist, dass es die Persönlichkeit der Person zeigt.
Aber es gibt eine Menge, die man falsch machen kann. Wie sieht also „falsch“ aus? Dafür lernen wir unser digitales Testobjekt Jessica kennen. Sie befindet sich in einer virtuellen Studioumgebung, in der wir Licht, Kamera, Objektive, Einstellungen und alles andere steuern können.
Jessica wollte ein paar Fotos für ihren Online-Lebenslauf machen. Aber … Das Foto oben zeigt weniger eine junge Berufstätige als vielmehr eine Figur im neuesten Paranormal Activity-Film. Was hat Jessica also „falsch“ gemacht?
In ihrem Set-up hat Jessica einfach das Licht im Raum genutzt. Es ist eine einfache Glühbirne und Jessica steht ziemlich genau darunter. Wie ihr seht, bewirkt dieses sehr starke Licht von oben, dass ihre Augen komplett abgeschattet sind. Außerdem ist es ein sehr „hartes“ Licht, so dass die Schatten sehr deutlich und unschön sind. Das Kunstlicht macht alles „orange“ und sieht unnatürlich aus.
Jessica hat zudem gegen eine Ziegelwand fotografiert. Das mag für den Wohnraum toll sein, aber hier ist es ein störendes Detail. Man fragt sich: „Wo ist das, ist es draußen? Aber woher kommt dann das Licht?“
Außerdem ist Platz um sie herum und sie trägt ein schulterfreies Oberteil. Man könnte denken, dass sie ziemlich klein ist. Oder sogar: „Sie ist nackt?!“
Außerdem sieht die frontale Pose unnatürlich aus und erinnert eher an ein Passfoto.
Das ist natürlich ein extremes Beispiel. Aber ihr seht, wie sich mehrere kleine Fehler schnell zu einem großen „Was zum …?“ in einem Foto summieren können.
Jessica soll es noch einmal versuchen. Sie hat sich jetzt einen schlichten Fotohintergrund, ein Blitzgerät und eine schicke Jacke gekauft. Die Ergebnisse sehen etwas „professioneller“ aus, sind aber immer noch nicht sehr schmeichelhaft. Wieder sind Fehler passiert, die uns von ihrem Bild ablenken. Was ist also an diesem Aufbau, unten links, falsch, der auf jeden Fall eine Verbesserung im Vergleich zu vorher, unten rechts, ist?
Zugegeben, Jessica hat einige Probleme aus ihrem vorherigen Versuch behoben. Man sieht mehr von ihrem Gesicht und der schlichte Hintergrund lenkt weniger ab. Wir glauben nicht mehr, dass sie ungewöhnlich klein ist und offensichtlich trägt sie Kleidung. Also, es ist besser, aber warum sehen wir immer noch nicht mehr von ihrer Persönlichkeit?
Zunächst einmal ist Blitzen großartig. Der Blitz wirft eine Menge Licht auf unser Motiv. Aber das Biest muss gezähmt werden! Hier hat Jessica den Blitz auf Kopfhöhe ohne Lichtformer platziert, so dass es immer noch ein sehr starkes, hartes Licht ist. Die Schatten sind immer noch sehr hart auf ihrem Gesicht und es entsteht auch ein seltsamer Schatten im Hintergrund, als ob jemand hinter ihr stehen würde.
Vom Bildwinkel her ist es etwas besser, da sie sich leicht gedreht hat. Aber durch das weitwinklige Objektiv und das Fotografieren nach oben wirken ihre Nase und das Gesicht breit und verzerrt. Wieder wenig schmeichelhaft. Der Aufnahmewinkel bedeutet auch, dass der obere Teil des Fotohintergrunds ein ablenkendes Detail ist.
Und schließlich lenkt auch die Wahl der Jacke sehr ab, und der ungewöhnliche Ausschnitt lässt sie aussehen, als hätte sie nichts darunter an.
Wieder ein extremes Beispiel. Aber auch das ist kein Ergebnis, das man der Welt zeigen möchte.
Wird Jessica aufgeben und einfach eine E-Mail an ein lokales Fotostudio schicken?
Haltet euch an die Regeln
Nein! Jessica ist bereit, es noch einmal zu versuchen. Aber heißt das, dass sie noch mehr Ausrüstung kaufen muss? Ein anderer Blitz? Eine neue Kamera? Gnädigerweise nein. Mit ein paar „Regeln“ im Hinterkopf kann Jessica anfangen, weniger über das Fotografieren nachzudenken und mehr darüber, wie sie ihre Persönlichkeit zur Geltung bringen kann.
SnapBridge herunterladen
Die SnapBridge-App von Nikon ist ein Muss, wenn man sich selbst fotografiert. Damit kann man die Einstellungen der Kamera, wie Verschluss oder Blende, mit dem Smartphone ändern, den Auslöser betätigen und sogar das gerade aufgenommene Foto sehen – und das alles von der anderen Seite des Raumes aus.
Es ist ein echter Motivationskiller, wenn man sich einen Timer stellen muss, zu seinem Platz zurückläuft, eine Pose einnimmt und dann zurückläuft, um das Bild auf dem Bildschirm zu überprüfen. Lasst das sein. Ladet einfach SnapBridge hier herunter.
Holt euch Hilfe dazu
Top-Tipp: Besorgt ein paar Kekse und ladet eine:n Freund:in ein. Porträts sind hundertmal einfacher, wenn man Hilfe dabei hat.
Man kann vorher verschiedene Posen und Einstellungen ausprobieren. So ist es auch bei einem professionellen Shooting. Ohne Assistent:innen kann ich planen und Dinge erahnen, muss aber eigentlich warten, bis das Model ankommt. Mit einem Assistenten oder einer Assistentin kann ich ein Dutzend Setups ausprobieren (und dabei scheitern), bevor es überhaupt losgeht! Aber wenigstens weiß ich dann, was nicht funktioniert.
Auch wenn man ein Foto von sich selbst machen möchte, ist eine zweite Person sehr nützlich. Sie kann einen auf Haare im Gesicht oder einen fehlenden Knopf aufmerksam machen. Einen Reflektor halten, überprüfen, ob man aufrecht steht, oder für eine spontane Pose einen Witz machen – sie kann helfen, entspannt zu bleiben. Und ein entspanntes, selbstbewusstes Model ist wahrscheinlich das Wichtigste bei einem Porträt. Mein Bild könnt ihr unten sehen!
Weiches Licht nutzen
Vielleicht abgesehen von ausgefallenen Modeaufnahmen ist viel hartes Licht einfach nicht vorteilhaft. Verwendet also einen Lichtformer (z. B. eine Softbox, einen Brolly usw.), um die Lichtquelle zu entschärfen. Wenn ihr keinen habt, bittet einen Freund oder eine Freundin, ein Transparentpapier vor eine Lampe zu halten. Das ist überraschend effektiv. Das Licht sollte nicht auf Kopfhöhe angebracht und nicht direkt frontal auf das Gesicht gerichtet sein. Im Alltag werden wir nie so beleuchtet. Meistens kommt das Licht von einem Fenster oder vom Himmel. Der „Nosferatu-Look“ ist immer sehr auffällig.
Man kann auch Ringlichter verwenden. Diese sind bei Influencern für ihre Fotos und Videos sehr beliebt, vor allem wenn sie Make-up- und Beauty-Produkte vorstellen. Warum? Das Licht kommt zwar frontal, aber es ist sehr gleichmäßig und kreisförmig und ist normalerweise eher schwach und sehr diffus. Es ergibt ein schmeichelhaftes, gleichmäßiges Licht und als Bonus hübsche kleine ringförmige Highlights in den Augen. Sie sind ideal für Videos, da man sich frei bewegen kann und trotzdem ein gleichmäßiges Licht hat. Für Fotos finde ich sie etwas zu flach. Aber als zusätzliche, preiswerte Option können sie sehr nützlich sein.
Zu guter Letzt: Wenn ihr kein Blitzlicht oder LED-Licht habt, vergesst nicht, dass Fenster große, helle und weiche Lichtquellen sind – und das kostenlos!
Die richtige Brennweite wählen
Weitwinkelobjektive sind für Porträts unvorteilhaft. Die Ohren sehen riesig aus und man denkt: „Ist meine Nase wirklich so groß?“. Das sieht alles sehr nach „Smartphone-Selfie“ aus, und das ist genau das, was man mit einem professionell aussehenden Foto nicht haben will. Als Faustregel für Porträts gilt also: Je länger die Brennweite, desto besser. Das 85 mm ist eine klassische Porträtbrennweite. Ich bin ein absoluter Fan des NIKKOR Z 85mm f/1.8 S. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich es das letzte Mal von meiner Kamera genommen habe. Das neue NIKKOR Z 135mm f/1.8 Plena ist auch fantastisch, vor allem das Bokeh. Aber man muss ja nicht gleich mit Profi-Equipment starten. Mit einem Zoom wie dem NIKKOR Z 24-70mm (entweder 1:4 oder 1:2,8) oder dem NIKKOR Z 70-180mm f/2.8 wirken die Aufnahmen umso natürlicher, je weiter man über 50 mm hinausgeht. Für DX-Benutzer:innen (Nikon Z 30, Z 50, Z fc) ist das NIKKOR Z DX 18-140mm f/3.5-6.3 VR die perfekte Option, denn ein 50-mm-Satz an einem DX-Objektiv entspricht dem 80-mm-Satz im Vollformat.
Öffnet die Blende
Das Wichtigste beim Fotografieren von Porträts ist, ganz klar, der Kopf! Oder besser gesagt, das Gesicht. Je weniger andere Dinge auf dem Foto stören, desto besser. Die Blende sollte weit geöffnet sein, damit Hintergründe und andere Details weich werden und aus dem Fokus geraten. Es muss aber nicht unbedingt ein einfarbiger Hintergrund sein. Ein gewisses Gefühl für die Umgebung oder den Ort (z. B. ein Büro) kann helfen, eine Aufnahme richtig zu verorten. Es sollte aber eben nicht stören und nicht ablenken.
Wenn euch der geringe Schärfebereich nervös macht, schaltet einfach den Augen-Autofokus ein. Selbst mit einem längeren Objektiv behält eure Nikon die wichtigsten Elemente im Fokus. Mit einer großen Blende, z. B. f/2,8 oder größer, sind die Augen gestochen scharf, aber die Ohren sehen weicher aus. Das ist ein klassischer Porträtlook, der die Aufmerksamkeit auf das Gesicht und damit auf die Person dahinter lenkt.
Details nicht vergessen
Das sind also die wichtigen technischen Dinge, die man berücksichtigen muss. Hier sind noch einige weitere Tipps, die das Leben einfacher machen.
- Neutrale Farben der Kleidung eignen sich besser, da sie nicht vom Gesicht ablenken. Es ist ein schmaler Grat zwischen einem lustigen und einem nervtötenden Outfit.
- Verwendet Klebeband! Oder zumindest so etwas wie ein Post-it, um zu markieren, wo ihr euren endgültigen Standort festgelegt habt, nicht nur für euch, sondern auch für eure Kamera und eventuelle Scheinwerfer. Wie bei Schauspielern ist es sehr wichtig, dass man weiß, wo man hin muss.
- Versucht es gar nicht erst ohne Stativ. Selbst wenn jemand für euch fotografiert, sollte die Kamera an einem festen Punkt sein, bis man alle beweglichen Elemente einer Porträtaufnahme im Griff hat.
Das endgültige Bild
Also, was bedeuten all diese Tipps für Jessica? Aller guten Dinge sind drei? Mal sehen, wie sie sich gemacht hat.
Große Verbesserung! Also, was ist anders? Anders gemacht hat sie gar nicht so viel, aber man sieht es
im Ergebnis!
Hier sind all die einfachen Änderungen, die Jessica vorgenommen hat, um eine enorm verbesserte Aufnahme zu erhalten:
- Sie hat das Licht mit einem Diffusor modifiziert, damit es nicht mehr hart ist. Es wurde auch weiter nach hinten verschoben und hochgesetzt. Wir haben immer noch einige Schatten, aber das Bild wirkt jetzt viel natürlicher und dreidimensionaler. So ahmt sie fast nach, wie ein schönes großes Fenster wirken würde. Das weichere Licht bedeutet auch, dass die Haut glatter aussieht und weniger glänzt.
- Jessica hat eine Freundin gebeten, vorbeizukommen. Sie hält einen Reflektor, um etwa eine viertel Blendenstufe Licht zurück auf die nicht beleuchtete Seite des Gesicht zu werfen. Die Freundin imitiert das „Fülllicht“ einer Mehrfachbeleuchtung, das etwas Tiefe aus den Schatten nimmt. Wenn ihr diese Aufnahme mal mit und mal ohne Reflektor macht, werdet ihr erstaunt sein, wie groß der Unterschied ist.
- Da das ganze Setup weiter vom Hintergrund entfernt aufgebaut ist, gibt es keine Schatten mehr, so dass wir uns nur auf sie selbst konzentrieren können.
- Indem sie sich mehr Platz verschafft und die Höhe der Kamera anhebt, ist der Winkel, in dem sie posiert, viel schmeichelhafter und sieht natürlicher aus. Die leichte Drehung zur Kamera ist jetzt subtiler und der Blickkontakt zur Kamera und damit zum Betrachter wird maximiert.
- Durch das andere Outfit bleibt der Fokus nun ganz auf Jessicas Gesicht. Da sie eher blasse Haut und dunkles Haar hat, trägt sie eine Bluse, die nicht ablenkt. Es wirkt professionell und dennoch ungezwungen.
- Durch die Verwendung einer längeren Brennweite von 85 mm in Verbindung mit einer Blende von 1:2,8 (vorher war es 1:8) sind mehrere Dinge passiert. Das Gesicht sieht jetzt viel schmeichelhafter aus. Wenn wir heranzoomen …
… sehen wir, dass die Augen (der wichtigste Teil eines Porträts), die Nase und die Lippen schön scharf sind. Die Ohren und der hintere Teil des Haares beginnen jedoch, weich und unscharf zu werden.
In dieser Nahaufnahme kann man auch die Spiegelung des Blitzes in beiden Augen sehen. Reflexionen dieser Art verleihen der Aufnahme und damit dem Gesamtbild immer mehr Leben und Vitalität. Ohne sie sehen die Augen oft stumpf aus.
Ihr werdet von diesen Reflexionen besessen sein. Wenn euch ein Bild wirklich gefällt, schaut auf die Augen! Genau hier liegt das Geheimnis: wie das Licht beim Fotografieren genutzt wurde! Und wenn man es einmal gesehen hast, vergisst man es nie wieder.
Habt keine Angst davor, mit einem größeren Bildausschnitt um euer Motiv herum zu fotografieren und es später so zuzuschneiden, dass es für den Einsatzzweck passt. Aus der gleichen Aufnahme kann Jessica ein großartiges Close-up machen, als sehr nahes und „präsentes“ Quadrat.
Mit ein bisschen Kow-how (und unserer Unterstützung), musste Jessica nur ein bisschen Geld für einen Diffusor und einen Reflektor ausgeben – und hat damit ihren technischen Ansatz komplett verändert.
Aber das Wichtigste war, dass ihre Freundin vorbeikam, um zu helfen. Sie war entspannter, hatte jemanden, der ihr beim Aufbau half, sie konnte die Freundin nach ihrer Meinung zu den Setups fragen. Und eine Menge Aufnahmen von ihrer Freundin machen, um verschiedene Dinge auszuprobieren. Es erzeugt ein völlig anderes Gefühl „am Set“. Das gilt für jeden Ort, ob im Fotostudio oder im kleinsten Schlafzimmer. Die Stimmung macht einen großen Unterschied – und man sieht es auf den Fotos. In jedem Bild scheint ein selbstbewusstes und entspanntes Gefühl durch.
Sie ist zwar digital, aber Jessica sieht jetzt mit ihrem neuen Foto wie eine selbstbewusste Führungskraft aus.
Mit diesem Know-how kann man die technischen Hindernisse beim Fotografieren aus dem Weg räumen und sich ganz entspannt darauf konzentrieren, seine Persönlichkeit zu zeigen.
Damit ist das digitale Ausweisbild fertig – was kommt jetzt?
Wenn man ein großartiges Bild von einem Gesicht machen kann, kann man auch großartige Porträts machen. Die technischen Fähigkeiten habt ihr jetzt in der Tasche. Fangt jetzt an, mit euren Bildern eine tolle Geschichte über euer Motiv zu erzählen.
Dann wird alles noch aufregender.
Haftungsausschluss: Die Bilder von Jessica werden zu Illustrationszwecken wiedergegeben und sind keine echten Fotos.
Der erste Schritt zu besseren Bildern
Für noch mehr Kreativität