So gelingen weiche, traumartige Filmsequenzen Wir schauen Filmemacherin Nora Nord über die Schulter
„Wenn ihr Filme machen wollt, die für Gesprächsstoff sorgen, müsst ihr euch bewusst macht, warum ihr sie eigentlich macht. Und wie sich diese Beweggründe am besten vermitteln lassen«, sagt die Filmemacherin und Fotografin Nora Nord.
„Veränderungen stehen bevor“, sagt die in London lebende norwegische Künstlerin Nora Nord mit einem Lächeln. „Als Filmemacherin möchte ich Diskussionen anregen und Themen erkunden, die ich in meiner Kindheit nicht auf der Leinwand gesehen habe.“ Im Noras neuestem Kurzfilm Femme dreht sich alles um Feundschaften und die Liebe queerer Frauen. Er wurde gemeinsam mit Nikon und der Hosting-Plattform WaterBear im Rahmen der Reihe As Told By Us produziert. Der sechseinhalbminütige Film begleitet Thea durch die queere Szene Londons, nachdem sie unerwartet einen Anruf von ihrer Jugendfreundin May erhalten hat. Die neue Welt scheint wenig einladend, bis Mimi – eine emanzipierte queere Femme – Theas wahres Ich erkennt und sie ermutigt, ihr neues Leben selbstbewusst anzugehen.
Nach zwei Monaten Arbeit am Drehbuch gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Beatrix Blaise – „es fühlte sich wie eine heftige Therapie-Session an“ – hatten Nora und ihr Team zehn Tage Zeit, sich um Besetzung, Crew und Location zu kümmern. Die Dreharbeiten danach dauerten drei Tage. Im Gespräch mit dem Nikon Magazin verrät sie ihre Top-Tipps, wie man einen weichen, fantasievollen Look mit filmischen Mitteln erzeugt.
Die eigene Geschichte nach außen kehren
Nora war, als sie ihr kreatives Konzept für den Film bei WaterBear und Nikon einreichte, überzeugt davon, dass sie die Richtige ist, diese Geschichte zu erzählen. „Der Film ist eine Charakterskizze zu einer Phase meines Lebens. Einer Phase voller Veränderungen, Unsicherheiten und Neuanfängen“, erläutert sie. „Dies ist eine Ode an die ‚Femmes’ (queere Personen, die sich als Frauen identifizieren) und wie sie mir unterschiedliche Lebenswege aufgezeigt haben“, erläutert Nora Nord. „Das Drehbuch basiert auf einer Diskussion, die ich auf Social Media geteilt habe. Es ging um die Identität als Femme im queeren Kontext, wenn man ‚nicht queer genug aussieht’. Einige Betroffene sagten, sie hätten ihr Aussehen verändert, um sich das Leben einfacher zu machen. Andere berichteten darüber, dass ihnen der Zugang zu queeren Lokalitäten verweigert wurde, weil sie für heterosexuell gehalten wurden. Fast alle waren sich einig, dass Femmes anhand von veralteten Stereotypen beurteilt werden.
„Es ist zudem kein Thema, das häufig angesprochen wird, weil es in einer homophoben und transphoben Welt als Privileg gilt, als heterosexuell durchzugehen. In meinem Film geht es darum, in einer Community keine Anerkennung zu erhalten und seinen eigenen Platz im Leben zu finden. Ich möchte damit Diskussionen anregen.“
Einen weichen, ätherischen Look erzielt man mit einem 35-mm-Festbrennweitenobjektiv und einem Kompendium (einer etwas aufwändigeren Streulichtblende).
Nora Nord hat mit der Nikon Z 8 und den Vintage-Objektiven NIKKOR-H Auto 50mm f/2 und NIKKOR 35mm f/2.8 AI sowie dem Bajonettadapter Mount Adapter FTZ II gefilmt. „Die spiegellose Kamera hat eine hohe Auflösung, aber trotzdem wollte ich Vintage-Objektive verwenden. Die Aufnahmen werden damit cineastischer, weicher und weniger perfektionistisch. Am Kompendium haben wir einen Weichzeichnungsfilter angebracht“, erläutert Nora Nord. „Wir haben fast den kompletten Film mit einem 35-mm-Festbrennweitenobjektiv gedreht. Für einige der Reportageaufnahmen haben wir jedoch ein 50-mm-Objektiv verwendet. Ich mag die Ästhetik der Aufnahmen mit 35 mm einfach. Diese entspricht zwar nicht ganz dem, was wir mit eigenen Augen sehen – aber so können wir so viel festhalten. Ich mag es nicht, wenn Filme vorgeben, worauf man sich konzentrieren soll. Ich möchte mich von den Augen leiten lassen und nicht direkt geführt werden. Zudem war es eine praktische Entscheidung, da sich die Aufnahmen mit einem Objektiv schneller erledigen lassen.“
Top-Tipp: Effektfilter werden häufig als kreatives Extra für Fotos und Filme eingesetzt, zum Beispiel für eine interessante Verzeichnung, einen Farbstich oder einen nostalgischen Look. Beispielsweise verringern Pro-Mist-Filter den Kontrast und dämpfen Glanzlichter, was das Bild weicher wirken lässt. Ihr sucht nach einer Anleitung zu Filtern? Klickt einfach hier.
Aufnahmen aus der Hand mit Offenblende
„Wir haben nur wenige Szenen mit einem Stativ gefilmt, darunter die Rückblenden. Diese wollte ich so unbewegt wie möglich haben. Den Großteil des Films haben wir jedoch aus der Hand gedreht“, erläutert Nora. „Das hat zu dem unvollkommenen Look beigetragen.“ Sie empfiehlt für Aufnahmen mit Offenblende (bei ihr war das f/2) bei hellem Licht einen Neutraldichtefilter. Das war insbesondere für die Rückblenden wichtig. Grundsätzlich rät sie dazu, in 4K zu filmen. Mitunter bedauert sie jedoch, nicht in 8K gedreht zu haben. „Rückblickend hätte ich gerne die Fähigkeit der Z 8 genutzt, in 8K zu drehen. Aufgrund der knappen Zeit konnten wir Szenen nicht neu drehen und waren dann gezwungen, die vorhandenen Aufnahmen ziemlich drastisch zu beschneiden. Von daher wäre 8K besser gewesen.“
Nora Nords Kameraeinstellungen:
Bildrate und Auflösung: 24 Bilder/s und 4K
Belichtungszeit: 1/50 (bei 24 Bildern/s)
Blende: 2, 5,6 und 11 waren die am häufigsten verwendeten
ISO: 400
Weißabgleich: entsprechend der Farbtemperatur der Umgebung
Auf das Unerwartete vorbereiten
Wie war es, die Dialogszenen im Vergleich zu den Szenen ohne Dialog zu filmen? „Stressig!“ Nora Nord lacht. „Wir haben viel Zeit darauf verwendet, Thea und ihren Freund in einem Café in Südlondon zu filmen (wo sie einen Anruf erhält). Letzten Endes wurde ein Großteil dieser Szene herausgeschnitten (ursprünglich dauerte allein diese Szene 12 Minuten). Am selben Abend haben wir die Clubszene gedreht. Wir mussten jedoch bis 19 Uhr warten. Wir konnten erst nach Sonnenuntergang drehen, da wir die Szene nicht vollständig abdunkeln konnten. Am Ende hatten wir nur 90 Minuten Zeit für die Dialogszenen – für alle vier Seiten im Skript!“ Nora Nord war begeistert davon, wie die Schauspieler:innen ihren Text interpretierten – und wie die Dialoge zum gewünschten natürlichen und authentischen Storytelling beitrugen.
Schwaches Licht vorteilhaft einsetzen
Nora Nord sagt, dass man effiziente Wege finden muss, wenn das Budget begrenzt ist. „Angesichts der Menge an zu transportierender Ausrüstung und der Größe der Besetzung wollten wir alles am gleichen Ort drehen. Letztendlich haben wir die Wohnung meiner Produzentin Emily als Location genutzt. Dort ist auch die Sequenz entstanden, in der die Protagonistin Thea in einem neuen Schlafzimmer aufwacht. Ich habe mich gefragt, wie ich diesen Raum sinnvoll nutzen kann. Die gute Nachricht ist, dass ich gerne bei schwachem Licht drehe. Bei der Badszene war es einfach fantastisch, wie das Licht durch das Badezimmerfenster fiel. Das hat uns geholfen, den gewünschten goldenen Look zu erzielen. Ursprünglich hatten wir geplant, ausschließlich mit natürlichem Licht zu drehen, aber leider war der Tag grau und langweilig, also haben wir mit einem orangefarbenen LED-Licht für Wärme gesorgt.“
Mit Animationen Fantasie darstellen
„Ich wollte Animationen verwenden. Denn meiner Meinung nach lässt sich das, was man sieht, nicht immer in Fühlbares übersetzen“, erläutert Nora Nord. „Es gibt ein Gefühl von Fantasie, macht es spielerischer. Das ist etwas Kindliches – verbunden mit der Ahnung, dass es etwas gibt, das wir nicht sehen können. Es ist jedoch wichtig, Animationen subtil einzusetzen. Daher kommen sie nur für Theas Kindheit zum Einsatz, während sie 12 bis 17 Jahre alt ist.“
Musik trägt zur ätherischen Wirkung bei
„Ich wollte Filmmusik, die das Gefühl vermittelt, in einem Zug am Fenster zu sitzen. Wenn die Welt in einem Augenblick an einem vorbeizieht“, ergänzt Nora Nord. „Musik hat die Kraft, Emotionen hervorzurufen. Deshalb ist es mir wichtig, dass sie auch bei einem Kurzfilm stimmig ist. Thea ist mit vielem konfrontiert und sie bewegt sich durch mentale Räume. Sie vollzieht eine Wandlung: Anfangs fühlt sie sich unwohl in ihrer Haut. Später fühlt sie sich wohler und hinterfragt den Prozess. Ich wollte, dass die Musik dazu passt.“
Farbkontraste setzen
Die Nachbearbeitung ist entscheidend für die Verbesserung der Gesamtwirkung eines Films. „Ich wollte am Anfang, wo Thea im Bett liegt, triste Farben haben, um zu zeigen, wie unwohl sie sich fühlt“, erläutert Nora. „Bei den Rückblenden habe ich mich stark von dem Bildband Girl Pictures von Justine Kurland inspirieren lassen. Sie hat mit Grundfarben Wärme geschaffen und gibt uns so das Gefühl eines zärtlichen Rückblicks auf Erinnerungen. Im Gegensatz dazu wollten wir bei der Clubszene mit roten Neonröhren einen sexy Queerclub schaffen. Damit sind wir der Farbe des echten Raumes treu geblieben.«
Filmemachen ist ein gemeinschaftlicher Prozess
„Wenn man von der Fotografie zum Filmemachen wechselt, braucht man ein Team“, sagt Nora Nord. „Es handelt sich um einen gemeinschaftlichen Prozess. Allein kann man das nicht machen. Man sollte das gar nicht erst versuchen. Bei der Leitung eines Teams dreht sich alles darum, Probleme aus der Welt zu schaffen, respektvoll zu sein und den Beteiligten die kreative Freiheit zu geben, die man auch für sich selbst in Anspruch nimmt.“ Nora Nords ultimativer Top-Tipp? „Lasst eurer Kreativität freien Lauf und vergesst nicht, euch den Raum und die Zeit dafür zu geben.“
Femme könnt ihr hier sehen.
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