Das Einmaleins der Reise- und Architekturfotografie mit Helin Bereket
Die Inspiration kommt vom Beobachten der Welt um einen herum, sagt die in Berlin lebende Reise- und Architekturfotografin Helin Bereket. Sie vergleicht DX- und FX-Kameras, spricht über Geometrie und spontanes Fotografieren
Schon als Kind habe ich alles um mich herum beobachtet. Das tue ich immer noch. Es macht mir so viel Freude, meine Sichtweise zu dokumentieren und zu teilen – ich kann einfach nicht aufhören. Ich habe kein konkretes Ziel und keine besondere Botschaft, die ich mit meiner Fotografie vermitteln möchte. Ich sehe die Dinge einfach und interpretiere sie.
Mein fotografischer Stil passt sich meinem Leben an. Jeder Ort, jede Situation, alles im Leben löst Gedanken aus, die ich dann durch meine Arbeit ausdrücke. Viele Dinge inspirieren mich: Reisen, Architektur, Landschaften, Kunst, Design, Musik und vor allem mein eigenes Leben. Mich selbst visuell zu beschreiben ist für mich viel einfacher, und die Fotografie war der beste Weg, dies zu tun. Wenn ich reise, fotografiere ich Reisemotive. Wenn ich alleine bin, mache ich Selbstporträts. Wenn ich in einer Stadt bin, mache ich Architekturfotos. Werde ich in zehn Jahren das Gleiche fotografieren? Oder werde ich mich ändern? Mal sehen. Hier sind meine besten Tipps und Tricks für die Entwicklung eines eigenen Stils und wie man damit anfängt.
Experimentieren und lernen
Fotografie ist meine Ausdrucksform. Ich lasse mich überall inspirieren – bei meiner Fotografie geht es immer darum, zu experimentieren und dadurch zu lernen. Ich habe meinen Stil nicht geplant – ich bewege mich ständig irgendwo zwischen Kunst-, Architektur- und Reisefotografie. Es hat sich einfach so entwickelt. Mein Architektur- und Kunsthintergrund sowie meine unendliche Reiselust haben einen starken Einfluss auf meinen Stil. Ich habe mir nie Grenzen gesetzt. Meine Arbeit ist eine Mischung aus Dingen, die auf meiner Bucket List stehen, Dingen, die ich erschaffe und Dingen, über die ich stolpere.
Ich versuche nicht, einzigartig zu sein. Ich imitiere einfach niemanden und bleibe dabei authentisch. Für mich ist es extrem wichtig, dass ich meinen eigenen Weg gehe. Selbst wenn mir etwas wirklich gefällt und ich es ausprobieren möchte, versuche ich, meine eigene Version zu erstellen und ihr meinen eigenen Touch zu geben. Wenn man in den sozialen Medien aktiv ist, sieht man immer die gleichen Dinge. Es ist schwer, man selbst zu sein, aber ich denke, ich habe das bisher gut hinbekommen. Das ist das Wichtigste für mich.
Einfach los fotografieren. Und dann noch mehr fotografieren
Für angehende Fotograf:innen, die meinen Stil der Schnappschussfotografie anwenden wollen, lautet mein erster Rat: fotografieren, fotografieren und noch mehr fotografieren. Fotografiert alles um euch herum – Zuhause, Familie, Freunde, Straße, Umgebung. Fotografieren ist ein Lernprozess. Je mehr man fotografiert, desto besser wird man. Wer die grenzenlosen Möglichkeiten der Fotografie erkunden will, sollte in eine gute Ausrüstung investieren. Stil entwickelt sich im Laufe der Zeit. Fangt an zu experimentieren und ihr werdet herausfinden, was euch am meisten interessiert und wie ihr den Moment festhalten wollt.
Lasst euch von geometrischen Formen, Farben und Kontrasten leiten
Meine Motive spiegeln meine aktuellen Interessen und meine künstlerische Sensibilität wider, die von meinem Architektur-Hintergrund beeinflusst sind. Minimalistische Kompositionen, geometrische Formen, Farben und Kontraste sind Elemente, die in meiner Arbeit oft auftauchen – entweder einzeln oder zusammen. Mir geht es vor allem um Einfachheit. Manchmal ist sie da und ich muss sie nur wahrnehmen. Manchmal muss ich sie suchen oder heranzoomen, und nur einen Teil einer Szene einfangen, um die Einfachheit zu bewahren.
Sobald ich irgendwo ankomme, beobachte ich den Ort, denn ich will ihn erst einmal erleben. Dann suche ich nach Perspektiven. Manchmal ist ein architektonischer Raum an sich schon interessant und es gibt keinen Grund, etwas hinzuzufügen. Manchmal nutze ich sie als Kulisse und erschaffe etwas Neues, indem ich Elemente wie andere Menschen oder mich selbst ins Bild bringe, wenn ich allein bin. Es ist wie eine Zusammenarbeit mit den Architekt:innen oder die Schaffung eines neuen Raums.
Im RAW-Format fotografieren
Ich fotografiere im RAW-Format, da ich meine Fotos frei bearbeiten möchte. Es ist einfacher, Fotos zu bearbeiten, die nicht bereits von der Kamera bearbeitet wurden. Besonders wenn es um Belichtungsprobleme geht. RAW-Dateien enthalten mehr Informationen und bieten einfach mehr Möglichkeiten.
Tagsüber f/8 bis f/11 und niedrige ISO-Empfindlichkeit
Meine Einstellungen hängen von meinen Motiven, den Licht- und den Wetterbedingungen ab. Wenn ich tagsüber Architektur fotografiere, verwende ich normalerweise eine mittlere Blende von 8 bis 11 und eine niedrige ISO-Empfindlichkeit von 100 bis 200, um scharfe Bilder zu erhalten und einen Einzel-AF (und einen kontinuierlichen Autofokus für bewegte Objekte).
Die Belichtungszeit hängt davon ab, ob ich ein Stativ verwende oder ob sich Personen bewegen. Wenn ich Architektur in der blauen Stunde einfange, verwende ich immer ein Stativ, um die Belichtungszeit verlängern zu können und den ISO-Wert so niedrig wie möglich zu halten. Wenn ich Porträts mache, möchte ich mein Motiv scharf stellen. Deshalb wähle ich eine große Blendenöffnung wie f/1,8 oder f/2,8 und ein Teleobjektiv, um eine geringe Tiefenschärfe zu erhalten.
Am liebsten fotografiere ich Landschaften an bewölkten Tagen. Ich verwende eine Blende um f/11 und einen ISO-Wert von 100. Manchmal stelle ich den Weißabgleich auf Tageslicht ein, manchmal passe ich ihn in der Nachbearbeitung an. Wenn ich bewegte Objekte fotografiere, halte ich die Belichtungszeit so kurz wie möglich und verwende eine höhere ISO-Empfindlichkeit.
Experimentiert bei grellem Licht und in den goldenen und blauen Stunden
Ich bevorzuge natürliches Licht. Es gibt nichts Besseres. Ich experimentiere in jeder Lichtsituation. Bei grellem Licht und bis hin zu den goldenen und blauen Stunden. Ich denke, dass jede Tageszeit für eine bestimmte Art von Fotografie geeignet ist. Ein Porträt in der Mittagssonne ist vielleicht nicht die beste Wahl. Aber eine minimalistische Architektur mit kontrastreichen Schatten kann zum Beispiel sehr authentisch aussehen. Es kommt natürlich immer darauf an, was man vermitteln möchte.
Selbstverständlich versuche ich, bei den besten Lichtverhältnissen zu fotografieren. Aber bei einem spontanen Roadtrip weiß man nicht genau, worüber man stolpern wird und wann. Wenn das Licht nicht das Beste ist, aber das Motiv interessant ist, fotografiere ich es und bearbeite es später. Früher gab es nur Farbfilter. Heute können wir nachbearbeiten. Im Jahr 2023 sind die Möglichkeiten grenzenlos.
Für mich ist es wichtiger, dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, das ich vermitteln möchte, als völlig unbearbeitete oder extrem scharfe Fotos zu machen. Ich habe meine Kamera immer griffbereit und versuche, das Beste aus der Situation zu machen. Manchmal hat man mehr, manchmal weniger Glück. Wenn die Ausrüstung gut genug ist und man weiß, was man will, kommt meistens etwas Gutes dabei heraus.
Meinem jüngeren Ich würde ich raten, weniger perfektionistisch zu sein
Ich arbeite immer noch daran, flexibler und weniger perfektionistisch an die Sache heranzugehen. Beim Fotografieren mit natürlichem Licht an öffentlichen Plätzen kann immer etwas schiefgehen. Es kam öfter vor, dass ich ein Shooting kurzfristig verschieben musste: Weil ein Auto an der ausgewählten Stelle geparkt war oder weil es regnete. Auf einem Roadtrip kommt man vielleicht später als geplant an einem Ort an und ist dann gezwungen, Fotos in der Mittagssonne zu machen. Ich bin auch schon stundenlang gereist, um ein bestimmtes Gebäude zu fotografieren, aber dann war es komplett von Touristen überrannt! Mit der Zeit lernt man, spontan auf solche Dinge zu reagieren. Das bedeutet, immer einen Plan B zu haben und Ruhe zu bewahren, wenn etwas schief geht.
Für schnelle, spontane Aufnahmen ist eine DX-Kamera ideal
Ich liebe das klassische Design der Nikon Z fc. Sie sieht nicht nur gut aus, sondern ist dank der „analogen“ Einstellräder auch sehr nützlich, vor allem beim Fotografieren mit dem Sucher. Ich mag das flüssige und schnelle Autofokussystem und den dreh- und schwenkbaren Touchscreen. Damit ist es viel einfacher, Fotos aus bestimmten Winkeln zu machen, zum Beispiel aus Bodennähe.
Absolut positiv überrascht war ich auch von der Bildqualität des APS-C-Sensors. Sie ist für eine Kamera dieser Preisklasse außergewöhnlich gut. In Kombination mit dem NIKKOR Z DX 16-50mm f/3,5-6,3 VR und dem Z DX 50-250mm f/4.5-6.3 VR (ich verwende nur DX-Objektive auf der Z fc) gibt es fast nichts, was man nicht festhalten kann. Die Kamera und das Objektivsortiment sind wie geschaffen für unbeschwertes Reisen und Fotografieren.
Ich benutze sowohl den Sucher als auch den Monitor auf der Rückseite der Kamera. Wenn es zu sonnig und hell ist oder ich zum Beispiel beim Einfangen von Bewegungen mehr Stabilität brauche, ist der Sucher meine erste Wahl.
Für höheren Kontrast und schärfere Bilder ist eine FX ideal
Meine Hauptkameras waren schon immer FX-Vollformatkameras: die Nikon Z 7II, die Nikon Z 7 und die Nikon 6 II. Mit einer FX kann man einfach kontrastreichere Bilder fotografieren, die Leistung bei wenig Licht ist viel besser, die Bilder sind klarer und schärfer, und mehr Megapixel bedeuten, dass man ein Bild deutlich beschneiden kann und trotzdem ein brauchbares Foto erhält. Das ist meine erste Wahl, wenn es um Qualität geht.
Ich benutze DX vor allem, wenn ich schnell und spontan sein will. Ich habe die Z fc auf meiner Reise in die USA zum ersten Mal benutzt und war wirklich beeindruckt. Erstens ist sie superleicht. Ich kann sie immer überall mit hin nehmen. Das allein macht schon Lust, zur DX zu greifen; selbst wenn man auch eine FX im Koffer hat.
Ich nehme meistens eine DX und eine FX mit auf meine Reisen. Wenn die Bildqualität sehr wichtig ist, verwende ich die FX. Wenn ich mich freier und flexibler bewegen möchte, greife ich zur DX.
Fotos machen oder fotografieren?
Wenn ihr als Anfänger:innen oder fortgeschrittene Fotograf:innen in eine Vollformatkamera investieren wollt, würde ich fragen, ob ihr „Bilder machen“ oder „fotografieren“ wollt. Smartphones und Kompaktkameras sind für Amateur:innen gedacht, die ein paar Erinnerungen festhalten wollen. Das hat für mich nichts mit Fotografie zu tun. Wer von Anfang an weiß, dass er oder sie in der Fotografie weiterkommen will, sollte in eine Ausrüstung investieren.
Ich habe mit einer Kompaktkamera angefangen. Dann kam ich an einen Punkt, an dem es technisch nicht mehr ausreichte. Hätte ich von Anfang an in eine Vollformatkamera investiert, wäre ich schneller Profi geworden. Wenn ihr die grenzenlosen Möglichkeiten der Fotografie erkunden wollt, investiert in eine Vollformatkamera.
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