Wie Fotografin Esther Horvath die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Entdeckerinnen inspiriert
Im Vorfeld des Internationalen Frauentags erzählt die Wissenschaftsfotografin Esther Horvath die Geschichte hinter ihrer Fotoserie „Women of Arctic Science“ – die den Erfolg von Frauen, die Forschung und das Verfolgen ihrer Träume feiert
In der absoluten 24-Stunden-Dunkelheit der Polarnächte wird die Zeit von den Essenszeiten diktiert. „Alles andere, was in der Welt passiert, fällt weg und man begibt sich in eine Blase“, erzählt Esther Horvath. „Es fühlt sich an, als ob man auf einem anderen Planeten wäre.“ Die Fotografin reist mehrmals nach Ny-Ålesund im norwegischen Svalbard – der nördlichsten Siedlung der Welt –, um wissenschaftliche Forschung zu dokumentieren. Im Winter leben 35 Menschen in dem Dorf. Es ist nur mit einem 14-sitzigen Flugzeug erreichbar, das zweimal pro Woche dorthin fliegt. „Man trifft keine anderen Menschen. Man fühlt sich sehr isoliert, aber gleichzeitig ist man sehr mit seiner Umgebung verbunden: den Bergen, dem Himmel, dem Nordlicht“, lächelt Esther. „Es ist sehr schwierig, zum Lärm des normalen Lebens zurückzukehren.“
Esther wurde in Ungarn hinter dem „Eisernen Vorhang“ geboren. Nachdem sie im Fernsehen Dokumentationen über Männer gesehen hatte, die in einem Schneesturm marschierten, träumte sie von Expeditionen in die Polarregionen. „Ich wollte den Schnee und den Wind auf meinem Gesicht spüren. Damals war das ein völlig unerreichbarer Traum“, erzählt sie. „Ich hatte nie Frauen in der Arktis gesehen. Und ich musste in den Grenzen des Eisernen Vorhangs bleiben.“ Nach ihrem Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften zog Esther 2012 nach New York, um das International Center of Photography zu besuchen und ihren Abschluss in Dokumentarfotografie zu machen. Drei Jahre später führte sie ihren ersten Auftrag im Nordpolarmeer für eine amerikanische Zeitschrift aus. „Ich arbeitete mit Wissenschaftlern zusammen, die den Klimawandel und die Veränderungen im Ökosystem des Arktischen Ozeans erforschten. Mein Traum war Wirklichkeit geworden!“ Dieses Erlebnis war der Wendepunkt für die Nikon-Ambassadorin. Sie schuf eine Fotoserie als Inspiration für die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen, ihre Träume wahr werden zu lassen. Die Reihe Women of Arctic Science war geboren.
Die Zeit für (Klima-)Veränderungen ist jetzt
Women of Arctic Science möchte das Leben, die Motivation und die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen vorstellen. Das laufende Projekt umfasst derzeit 45 Porträts unterschiedlicher Frauen. Jede erzählt eine andere Geschichte an einem Ort, der mit ihrer Arbeit und ihrem Umfeld in Verbindung steht. „Es beginnt mit einer langen Diskussion über den Ort, was sie anziehen soll, was sie in den Händen halten, wie sie sitzen oder stehen soll“, berichtet Esther. „Ich möchte, dass jedes Bild eine starke Botschaft hat.“
Jetzt ist es mehr denn je an der Zeit für Veränderungen. „Es ist mir ein großes Anliegen, Wissenschaft und Klimadaten zu vermenschlichen und Klimageschichten aus der Perspektive der Wissenschaftlerinnen zu erzählen. Ich möchte Politiker:innen, Entscheidungsträger:innen und die Öffentlichkeit informieren und meine Arbeit auf so vielen Plattformen wie möglich verbreiten“, erklärt Esther. „Ich habe kürzlich den Film Don’t Look Up gesehen – so ähnlich wie dort kommt mir die heutige Zeit vor.“
Einsatz von Licht in der 24-Stunden-Dunkelheit
Wie komponiert Esther ihre Fotos in völliger Dunkelheit? „Ich verwende viele verschiedene Arten von Licht, oft zwei für ein Foto“, verrät die Wissenschaftsfotografin, die für das Alfred-Wegener-Institut arbeitet. „Manchmal trägt mein Model eine Stirnlampe, oder ich habe eine auf und beleuchte das Model zusätzlich mit Taschenlampen.“ Wenn sie nicht in Bewegung ist, verwendet Esther den Blitz. „Ich liebe es, ein Licht zu verwenden, das im Gegensatz zum blauen Licht oder der Dunkelheit der Nacht ein filmisches Gefühl erzeugt“, beschreibt sie. Der barocke holländische Maler Rembrandt dient ihr oft als Inspiration für den Umgang mit Licht und Schatten.
„Ich fotografiere in RAW, und alles auf dem Foto muss scharf sein. Wenn es schneit, mache ich viele Tests. Meine Belichtungszeit hängt davon ab, ob ich den Schnee als Linie oder als Punkte einfrieren möchte“, erklärt Esther weiter. „Ich benutze jetzt die Nikon Z 8 (vorher die D850), die bei Dunkelheit fantastisch ist und eine hohe Detailtreue aufweist. Sie ist das beste Werkzeug, das ich je hatte. An Objektiven benutze ich immer das NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S und manchmal das NIKKOR Z 35mm f/1.8 S.“ Mit der Z 8 filmt Esther jetzt auch für ihre Serie Women of Arctic Science. „Jede Aufnahme beginnt in völliger Dunkelheit. Dann kommt die jeweilige Wissenschaftlerin mit ihrer Stirnlampe ins Bild, führt ihre Arbeit durch und geht wieder“, erläutert sie. „Die Z 8 fängt auch bei schwachem Licht jedes Detail ein.“
Als „Fellow“ der International League of Conservation Photographers folgt Esther ethischen Grundsätzen der Postproduktion und bearbeitet ihre Fotos nur minimal: die Lichter, die Schatten und die Kontraste. „Ich lege immer den Bildausschnitt gleich beim Fotografieren fest, sodass ich in der Nachbearbeitung nie zuschneiden muss“, fügt sie hinzu.
Inspiration für die nächste Generation
Nachfolgend findet ihr vier Porträts aus der Reihe Women of Arctic Science.
Alyse Dietel
Im Jahr 2012 stürzte die Kletterin Alyse Dietel (unten) bei einer Abendwanderung mit einem Freund 80 Meter von einer Klippe. Sie hatte Glück und überlebte den Sturz mit einem zertrümmerten Becken, einem gebrochenen Steißbein, einem gebrochenen Knöchel, gebrochenen Rippen, zwei gebrochenen Wirbeln, einer teilweise kollabierten Lunge, einer eingedellten Niere, einem verstauchten Hals und zahlreichen Prellungen und Risswunden. Ihre Ärzt:innen sagten ihr, dass sie wohl nie wieder laufen können werde. In dem Jahr hatte sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Kletterkünste befunden und in den letzten acht Jahren an nationalen Wettkämpfen teilgenommen. Die Worte der Ärzt:innen erschienen ihr unrealistisch – sie verstand fast nicht, was sie sagten.
Sie glaubte an sich selbst. Mit dem starken Willen, wieder gehen und klettern zu können, begann sie ihren Heilungsprozess, den sie durch intensive mentale Übungen unterstützte. Ihr Ziel war es, in einem Jahr vollständig geheilt zu sein. Nach nur acht Monaten und einer Woche konnte sie bereits aufstehen. Drei Wochen später zog sie sich an Krücken durch die Gegend. Im darauffolgenden Monat ging sie in ihre örtliche Kletterhalle und nahm die leichteste Route in Angriff. Bald darauf kehrte sie an die Felsen zurück – und heute klettert sie aus purer Freude an der Natur und der Verbundenheit mit den Bergen.
Natasha Bryan
Natasha Bryan (unten) vom Team für Meereisbiologie nimmt während der vom Alfred-Wegener-Institut geleiteten ArcWatch-Expedition im August-September 2023 Temperaturmessungen und Eiskerne aus dem Arktischen Ozean. An jeder Eisstation werden zwölf Bohrkerne entnommen und untersucht. Das Team interessiert sich für die in den Rinnen des Meereises lebenden Organismen (Kieselalgen) und möchte verstehen, wie sich der Klimawandel auf ihren Lebensraum auswirkt.
Allison Fong
Im Zuge der MOSAiC-Expedition im zentralen Arktischen Ozean entnehmen Wissenschaftler:innen das Eis auf unterschiedliche Weise und in verschiedenen Formen vom Treibeis, z. B. als Eiskern für Proben oder zur Installation wissenschaftlicher Instrumente. Allison Fong (unten), Biologin und Leiterin des Ökosystemteams bei MOSAiC, hat einen großen Block aus dem Treibeis gesägt, um die sogenannte FishCam ins Wasser zu lassen. In einer Tiefe von 250 bis 350 Metern nimmt die FishCam Bilder aus der arktischen Fischwelt auf – und gelegentlich auch von anderen Tieren. Während der Expedition liefert die FishCam Bilder von Meereslebewesen.
Joanna Sulich
Joanna Sulich (Bild oben), Biologin und Pädagogin bei Polar Bears International, gehört zu dem Team, das die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wurfzeit der Eisbären untersucht. Die „Maternal Den Study“ befasst sich mit einer der wichtigsten und zugleich sensibelsten Phasen im Leben der Bären.
Joanna arbeitet ebenfalls in Ny-Ålesund, wo sie sich auf Lösungen für das Zusammenleben von Eisbären und Menschen konzentriert. In der kleinen kanadischen Arktisgemeinde Churchill, die wegen ihrer saisonalen Eisbärendichte als Eisbärenhauptstadt der Welt bekannt ist, leistet sie Aufklärungsarbeit bei Touristen. Dort nimmt Joanna an Workshops teil und unterrichtet verschiedene Zielgruppen auf zugängliche und ansprechende Weise über das arktische System.
Sie spricht gern über ihre Arbeit – insbesondere mit Kindern, und vermittelt Wissenschaft durch Kunst und visuelle Materialien. Ihre Vorträge und Plakate wurden auf internationalen Konferenzen ausgezeichnet, und sie hat auch schon Artikel in Wissenschaftsmagazinen für ein junges Publikum veröffentlicht.
Esthers Arbeiten erschienen unter anderem in National Geographic, der New York Times, Audubon Magazine, GEO, Stern und TIME. Folgt ihr hier auf Instagram.
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